Blick aufs Pioratal ©swiss-image.ch/Alessio Pizzicannella
Von Gabriele Beautemps
Zentrale Anziehungspunkte im Tessin sind die beiden großen Seen: Luganersee und Lago Maggiore. Wenn man in Ascona zum ersten Mal die bunte Häuserzeile am Lago Maggiore erblickt, die vielen Straßencafés mit bestem Blick auf See und Berge, dann hebt sich die Urlaubslaune noch ein bisschen mehr.
Die Strandpromenade gilt als die schönste im Lande. In Ascona kann man ausgiebig am See entlang flanieren, bis zum Golfplatz, der bereits ein gutes Stück außerhalb des Zentrums liegt. Sehenswert ist auch die Altstadt des einstigen Fischerdorfes. In den Innenhöfen dort gibt es manch‘ schönes Geschäft und gutes Lokal zu entdecken.
Quirliger Mittelpunkt in der Nachbarstadt Locarno ist die Piazza Grande. Mit ihren typischen Arkaden ist sie einer der bekanntesten Stadtplätze der Schweiz. Während des Film-Festivals in Locarno verwandelt sich der große Platz in ein wunderbares Open-Air-Kino. Von der Stadt führt eine Standseilbahn zur Wallfahrtskirche Madonna del Sasso, von dort geht‘s weiter mit der Luftseilbahn hinauf zum Hausberg Cardada-Cimetta – ein Ausflugsziel mit großartiger Aussicht.
Dank des neuen Ceneri-Tunnels kommt man per Bahn in einer halben Stunde von Locarno zum Luganersee, bedeutend schneller und stressfreier als mit dem Auto. Lugano ist nach Zürich und Genf der drittgrößte Bankenstandort der Schweiz. Trotzdem bietet sich die 68.000 Einwohner-Stadt als Standort für Touristen an, die Abwechslung mögen: tolle Lage am See, zwei Hausberge zum Wandern (Monte San Salvatore und Monte Bre), das neue Lugano Arte e Cultura (LAC) für Kulturinteressierte, moderne Architektur von Mario Botta und woanders der morbide Charme vergangener Zeiten, etwa die stillgelegte Standseilbahn, 1903 exklusiv erbaut für die Gäste des ehemaligen Grandhotel Bristol.
Die Altstadt ist intakt, mit einem guten Mix von Geschäften: teure Juweliere und Boutiquen genauso wie alteingesessene Lebensmittelläden. Dazu kommt die gute Anbindung an Bus, Bahn und Schiff.
Empfehlenswert ist eine „Kreuzfahrt“ auf den Seen. Besonders interessant wird’s, wenn die „Morcote“ oder „San Gottardo“ nah am Ufer entlang schippert. Schauen, wo die Reichen wohnen, das geht vom Wasser aus am besten. Zur Straße hin schottet man sich ab einer bestimmten Einkommensklasse lieber ab, verständlich. Mal sieht man Villen aus dem Jahrhundertwende, ein bisschen verwunschen, mit schmiedeeisernen Balkongeländern. Mal sind es puristische Quader mit einem Panorama-Parkplatz für den Porsche auf dem Flachdach, denn in der Regel sind die Häuser in den Hang gebaut.
Ausschließlich per Schiff, etwa von Ascona oder Locarno aus, sind die Brissago Inseln zu erreichen. Der Botanische Garten mit Pflanzen aus den fünf Kontinenten auf der größeren der beiden Inseln ist eine Hauptattraktion im Tessin, auch wenn neuerdings das Outlet-Center Foxtown in Mendriso auf der Überholspur ist: 160 Shops mit Markenklamotten aus der letzten Saison, angeblich 70 Prozent reduziert. Eine botanisch versierte Baronin legte einst den Grundstein für die Pflanzenpracht auf der Brissago Insel. Ursprünglich war der Park der Familie und ihren Gästen vorbehalten.
Verlässt man die Seen in Richtung Maggiatal oder Centovalli, wird die Landschaft wilder. Die Berge rücken näher, von den Hängen rauschen Wasserfälle herab: eine komplett andere Welt. Manches Dorf, etwa Corippo, wirkt wie ein Historiengemälde in Schiefergrau, mit den Rustici, den traditionellen Bauernhäusern aus Granitgestein, die seit Jahrhunderten dort stehen. Ruhig ist es hier, allenfalls an der bekannten Ponte dei Salti im Verzascatal, wo tollkühne junge Männer im Sommer in den smaragdgrünen Fluss springen, staut es sich, weil die Schaulustigen um die besten Plätze fürs Selfie mit Brücke rangeln.
Die Täler abseits des Lago Maggiore sind ideal zum Wandern: Häufig führen die Routen über Pfade, die dem Fels abgerungen sind, über kleine Brücke, die wilde Flüsse überspannen und durch Wälder, die im Sommer willkommenen Schatten spenden. Swimmingpools gibt’s hier nicht, baden kann man in den Gumpen, die Flüsse über die Jahrhunderte aus dem Stein geformt haben.
Zurück in Lugano oder Ascona kann man dann am Lido faulenzen, sich auf den großen Liegewiesen von der Wanderung erholen oder schwimmen. Viele öffentliche Schwimmbäder am See betreiben charmante Strandcafés. Auch hier macht sich der italienische Einfluss bemerkbar. Es gibt’s auch dort einen perfekten Cappuccino, noch dazu in bester Seelage.
Dank des milden Klimas ist die Reisezeit im Tessin lang. Im März blühen bereits die ersten Kamelien, besonders üppig im Parco San Grato oberhalb von Carona. Und in den herbstlichen Kastanienwäldern lässt es sich auch noch im Oktober wunderbar wandern. Bei der Rast in einer Trattoria kann man sich dann auf einen Tessiner Maronikuchen freuen.
An besonders schönen Plätzen im Tessin hängen Schaukeln: auf dem Pizzo Zucchero (Zuckerhut) im Val Onsernone und auf der Piazza Lungolago in Ascona. Eine steht sogar im Lago Maggiore, am Shaka Beach in Vira Gambarogno. Man schaukelt an frischer Luft und bekommt ganz nebenbei Kontakt zu Menschen, die interessiert stehen bleiben, um später selbst zu schaukeln und dabei glücklich zu lächeln.
Wer von Schaukel zu Schaukel reist, bekommt einen guten Eindruck von der Schönheit und Vielfalt des Tessins. Das Projekt wurde von zwei junge Tessinern im Zusammenarbeit mit dem Tourismusverband ins Leben gerufen. Es nennt sich Swing the world. Mehr dazu: www.swingtheworld.ch