Die Amper fließt durch die idyllische Landschaft Oberbayerns Foto: Silvia Stammer
Intensiv türkis schimmert der Lech in seinem Flussbett. Dazu das Grün der Bäume, silbrig schimmernde Kiesbänke, und obendrüber wölbt sich der weiß-blaue, viel besungene Bayernhimmel. Das Bild, das sich dem Wanderer an der Litzauer Schleife nahe dem bayerischen Schongau bietet, ist brillant. Natur, so schön, dass es fast kitschig ist.
Eine Wanderung entlang des Lech-Erlebniswegs – der Alpenfluss schlängelt sich rund 168 Kilometer auf deutschem Boden – ist nur eine Möglichkeit, Oberbayern auf eine andere, unbekanntere Art am Wasser zu erleben. Während meist die prominenten Gewässer wie Tegernsee, Chiemsee oder Starnberger See im Mittelpunkt stehen, gibt es südwestlich von München noch zahlreiche Ecken zu entdecken. Wandern am Lech, Radfahren an der Amper oder eine Rafting-Tour von Lenggries nach Bad Tölz – drei Tipps für Aktivurlaub mit Landschaft und guter Küche.
Die Kleinstadt Fürstenfeldbruck, rund 30 S-Bahn-Minuten von München entfernt, ist ein lohnendes Ziel für Kulturinteressierte, die auch ein Herz fürs Radfahren haben. Hier lässt sich in den neuen Ammer-Amper-Radweg einsteigen. Als Route gibt es ihn schon seit 2001, aber inzwischen wurde kräftig in Beschilderung und Service investiert. „Wir hoffen auf die Vier-Sterne-Zertifizierung im August bei der Messe Eurobike“, sagt Tourismussprecherin Claudia Metzner.
Vor dem Tritt in die Pedale empfiehlt sich ein Rundgang über das ehemalige Klostergelände. Blutrünstige Legende und Meisterwerk des Spätbarocks – in Fürstenfeldbruck werden damit die Sinne der Besucher angeregt. Im 13. Jahrhundert soll Ludwig der Strenge seine Frau Maria von Brabant enthauptet haben, wegen des – fälschlichen – Verdachts der Untreue.
Zur Sühne ließ er ein Zisterzienserkloster erbauen. Im 17. und 18. Jahrhundert entstand die St.-Mariä-Himmelfahrtskirche. „Eine einzigartige barocke Größe in unserer Gegend“, schwärmt Kunsthistorikerin Dr. Birgitta Klemenz, Archivarin vom Kloster Andechs, während der Besucher die vielen überwiegend in Altrosa gehaltenen opulenten Details in dem etwa 80 Meter langen Gotteshaus studiert.
Dem Rundgang über das reizvolle Klostergelände folgt ein Stopp im Klosterstüberl. Dort gibt es nicht nur köstlichen Fisch wie die einheimische Renke im lauschigen Gastgarten, sondern auch eine Ladestation für Pedelecs. Mit einem solchen zusätzlich elektrisch angetriebenen Rad lässt sich die anschließende Tour entlang der Amper, des gemütlichen grünen Flusses aus dem Ammersee, auf die leichte Art genießen.
Über kleine Wege und schmale Straßen, die gelegentlich große Verkehrsachsen kreuzen, geht es durch idyllische Auen und Ortschaften wie Schöngeising. Hier hat der Pfarrer vorm Gemeindehaus noch seinen eigenen Parkplatz, die Dorfjugend johlt beim Baden im Fluss. Dass in dieser Ecke Bayerns die Kirche noch eine große Rolle spielt, wird auch unterwegs sichtbar. Oder wo sonst würde einem auf dem Radweg eine etwa 30-köpfige Pilgergruppe begegnen, die ein großes Holzkreuz voranträgt und das „Ave Maria“ murmelt?
Das Kloster Andechs, der älteste Wallfahrtsort Bayerns, ist nicht weit entfernt. Seit Beginn des 12. Jahrhunderts kommen Pilger auf den Heiligen Berg. Rund 30.000 sind es pro Jahr, die Zahl steigt, das Durchschnittsalter sinkt. Deutlich größer, ungefähr eine Million, ist die Menge der Touristen – die spektakuläre Aussicht mit Bier teilt man sich also mit vielen.
Unten am Ammersee liegt eine gute Alternative: Die Terrasse vom Seehof in Herrsching ist ideal, um den Sonnenuntergang überm See zu erleben. In dem Traditionshotel kann man zudem seinen Urlaub mit weiteren Radtouren verlängern, ein Schiff zur Seerundfahrt besteigen oder nur wenige Meter weiter die S-Bahn zurück nach München nehmen. Aber nicht ohne einen Bummel auf Deutschlands wohl längster Seepromenade, die sich über rund zehn Kilometer am Ufer entlangzieht.
Wer generell lieber auf einer Wanderung entschleunigt, ist auf dem Lech-Erlebnisweg von Landsberg nach Füssen richtig. In fünf Etappen führt dieser bis zum Lechfall. Wir wählen an diesem strahlend schönen Sommertag eine kurze Strecke von der Schongauer Alm bis zur Litzauer Alm.
Vorbei an Blumenwiesen und Weiden mit hellgrauen Rindern mit Puschelohren geht es durch den Wald bis zu einer sogenannten Erlebnisstation mit verschiedenen Informationen zu Historie und Natur. Der Info-Kasten gibt geöffnet eine Fotografie aus dem Jahr 1959 frei – sie liegt transparent über dem echten Flusspanorama dahinter und zeigt dieselbe Ansicht von einst.
„Durch die Stauseen für die Kraftwerke sind Kiesbänke verschwunden, und die Artenvielfalt verringert sich“, sagt Gebietsbetreuer Stephan Jüstl. Vorbei die Zeit, als die wilden Wasser aus den österreichischen Alpen Edelweißsämlinge mitbrachten und die Flussufer-Wolfsspinne hier logierte. Stattdessen bietet flussaufwärts der aufgestaute Lechsee hohen Freizeitwert, beispielsweise im Feriendorf Via Claudia, nahe dem Dörfchen Urspring.
Dessen Name ist Programm – alte Stadel, Bauerngärten, Fassaden mit alpenländischem Charme wirken einladend. Der Lech-Erlebnisweg ist gut für Familien geeignet, weil man nur wenige Höhenmeter zu bewältigen hat. Es herrschen Ruhe und Beschaulichkeit, selbst in der Hochsaison ist hier wenig los. Den örtlichen Machern wie Susanne Lengger vom Pfaffen-Winkel-Tourismus liegt die Verbindung von Erholung, Ökologie und Geschichte am Herz.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Erlebnis-Lechflößerei: Rund eineinhalb Stunden dauert die gemütliche Fahrt mit einem historischen Fernhandelsfloß vom Schongauer Lechsee durch seine fjordartigen Abschnitte am mittleren Lechtal. Während die rund 50 Passagiere die Landschaft an sich vorüberziehen lassen, erklären Experten den Lebensraum und die Geschichte der Flößer, die jahrhundertelang Holz, Kalk oder Öl und Wein bis nach Augsburg und weiter nach Süden transportierten.
Während die Lechflößer in beschaulichem Tempo unterwegs sind, darf es in Lenggries auf der Isar etwas flotter sein. Zu zehnt in einem Boot plus zwei Guides: Das ist das Team, das sich im Zodiac in Bewegung setzt. Alle sind mit Neoprenanzug und Schwimmweste ausgestattet und von Montevia-Chef Martin Held sicherheitstechnisch gut eingewiesen: „Wenn ihr reinspringt, keine Kerze und keinen Kopfsprung!“, warnt er.
Wer auf seine Anweisungen hört, wird in den nächsten zweieinhalb Stunden ein herrlich nasses Abenteuer mit Blick auf die bayerischen Berge haben. „Paddeln, paddeln!“ – auf Kommando gibt die Gruppe alles, um über die Stromschnellen an der sogenannten Isar-Burg zu kommen. Wer will, darf noch mal ein Stück zurückgehen und sich in die eiskalten Fluten stürzen, die durch das Neopren nur noch angenehm kühlen. Nach ruhigeren Fahrminuten das Angebot von Guide Martin: „Wer mag jetzt reinhupfen?“
Ein Sprung, und schon geht die Strömungsreise los! Im perfekten Tempo trägt einen das Wasser etwa 100 Meter, aber dann – Hilfe! – ist das Boot am Ufer weit weg, zu weit für die Schwimmerin. Da kommt schon der „Leinensack“ angeflogen. Schnell die Leine gepackt, und Martin zieht den Isar-Passagier zurück ins Gruppenboot.
Bei lustigen Spielen geht noch mancher über Bord, bis am Ende bei Bad Tölz der Ausstieg wartet. Viel zu früh, da sind sich alle einig – egal, ob flotte ältere Berlinerin oder junger Einheimischer aus München.
Floßfahrten kannst du hier buchen: Touristinformation Schongau, Tel.: 0 88 61/21 41 81, www.schongau.de. Die Lechfloßfahrt kostet 15 Euro, für Kinder
10 Euro. Rafting in Lenggries bietet an: Montevia, Tel.: 0 80 42/9 72 40-0, www.montevia.de, eine Tour kostet ab 39 Euro.
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Silvia Stammer
Die GLOBISTA-Autorin Silvia Stammer liebt am Reisen den Perspektivwechsel: "Lebensräume und Landschaften jenseits dessen zu erleben, was man dauernd vor der Nase hat - das hält wach."