Blick auf den Vierwaldstättersee © Uri Tourismus
Von Gabriele Beautemps
Manche Passagiere auf der MS Brunnen tragen Wanderschuhe, andere Flip-Flops. Diejenigen mit dem leichtem Schuhwerk bleiben hoffentlich an Bord. Langweilig wird es ihnen dort sicher nicht. Auf dem Vierwaldstättersee, der seine langen Arme in die Bergwelt der Zentralschweiz streckt, kann man tagelange herumschippern, an den Ufern gibt es immer Neues zu entdecken und auch das Bergpanorama ändert sich mit der Fahrtrichtung. Nostalgiker bevorzugen die fünf historischen historischen Raddampfer. Ein besonderes Schmuckstück ist die Gallia. Auf dem Schaufelraddampfer fällt die Entscheidung schwer, ob man den See und das schöne Panorama bewundern will oder lieber dem Mechaniker zuschaut, der die ohnehin schon blitzblanken Maschinen poliert.
Der Vierwaldstättersee ist vor allem im Sommer Dreh- und Angelpunkt des touristischen Lebens in der Zentralschweiz. Er ist nach den vier Waldstätten (Kantonen) benannt: den drei Urkantonen Unterwalden, Schwyz und Uri und dem Kanton Luzern. Im Englischen heißt er übrigens Lake Lucerne, eine Reduzierung zwar, aber natürlich ist Luzern die mit Abstand die bedeutendes Stadt am See. Ihre elegante Plätze, die Seepromenade und die Kappelbrücke sollte man sich anschauen.
Fliegender Wechsel an der Anlegestelle Vitznau: Vom Schiff geht’s in die erste Zahnradbahn Europas, hinauf auf die Rigi. Die Bahn feierte im letzten Jahr 150. Jubiläum, die Rigi-Festspiele sind wegen der unsicheren Corona-Lage 2021 auf diesen August verschoben. Vor 1871 beförderten Sänftenträger die Touristen samt umfangreichem Gepäck auf die Rigi hinauf. Es waren in erster Linie reiche Engländer, die im Nobelhotel Rigi Kaltbad logierten, um die gesunde Bergluft zu atmen und beim gepflegten Diner ihr Netzwerk zu pflegen. Als der Ingenieur Niklaus Riggenbach seine Pläne für die Zahnradbahn vorstellte, wurde er selbst von Kollegen für nicht ganz zurechnungsfähig gehalten. Erst als 1869 auf dem Mount Washington eine Zahnradbahn eingeweiht wurde, erteilte der Kanton Luzern schließlich die Konzession. Zwei Jahre später war das ambitionierte Projekt startklar. Die Berg blieb nicht weiter den oberen Zehntausend vorbehalten, er wurde demokratisiert.
Es ist die weltweit erste Cabriobahn, die die Fahrgäste aufs Stanserhorn bringt. Dazu steigt man in der Gondel über eine Wendeltreppe aufs Dach, alternativ kann man auch in der verglasten unteren Etage sitzen bleiben. Die Idee stammt von Jürg Balsiger, Chef der Bergbahnen und glühender Cabriofan, der einen attraktiven Ersatz für die alte Bahn suchte, deren Konzession auslief. Die Bahn hat sich schnell zum Publikumsmagneten entwickelt, schade nur, dass schon nach sieben Minuten die Bergstation erreicht ist.
Wer aufs Stanserhorn fährt, unternimmt gleichzeitig eine Zeitreise durch die Bahngeschichte. Denn die ersten 260 Höhenmeter, von der Talstation in Stans bis zur Mittelstation Kälti, erklimmen die Fahrgäste mit der Standseilbahn, ein Oldie aus dem Jahr 1893, aber tipptopp in Schuss. Das Stanserhorn ist ein wunderbarer Berg zum Wandern. Zahlreiche Wege sind auch für Gäste aus dem Flachland gut zu meistern. Besonders schön ist es im Frühsommer, wenn sich auf den Magerwiesen die Blumen und die Murmeltiere heraustrauen oder ab Juni, wenn die Alpenrosen blühen. Die Aussicht auf die Seenlandschaft und die Gipfel mit den klangvollen Namen, etwa Eiger, Mönch oder Säntis, ist das ganze Jahr über großartig. Ehrenamtliche Ranger wie Markus Gammeter erklären geduldig, wo welcher Berg zu sehen ist. Wohl wissend, dass die meisten Urlauber das Bergpuzzle durcheinanderbringen noch ehe sie das Tal erreicht haben.
Holzvertäfelte Wände, die Lampe in Form eines Ochsens, das Wahrzeichen des Kanton Uri: So stilvoll ist öffentlicher Nahverkehr in der Schweiz. An der Station Treib-Seelisberg, steigt man entweder von der Standseilbahn in den Postbus nach Stans um, oder ein in die Geschichte der Schweiz. Denn unterhalb von Seelisberg liegt die Rütliwiese, die Gründungsstätte der Schweiz, wo sich die ersten Eidgenossen gegenseitige Unterstützung gegen fremde Vögte geschworen haben. Unterstützung gegen Männer wie den Habsburger Statthalter Gessler, mit dem sich Wilhelm Tell anlegt haben soll. Ob Tell tatsächlich gelebt und im nahen Altdorf den Apfel vom Kopf seines Sohnes geschossen hat, ist allerdings unter Historikern höchst umstritten. Die Mehrheit der Schweizer will laut einer Umfrage in Tell dennoch weiterhin den wahrhaftigen Helden und nicht nur eine Sagengestalt sehen.
Der Kanton Uri steigt in die aktuelle Diskussion ein, die Touristiker pflegen aber gleichzeitig den Mythos und stellen die Schauplätze des Schiller-Dramas ins Licht. Gerade wird der Schillerbalkon hoch über der Rütliwiese mit großartigem Blick auf den Vierwaldstättersee renoviert. Das wunderbare Panorama soll schon dem Märchenkönig Ludwig II. so gut gefallen haben, dass er auf der Rütliwiese angeblich Schloss Neuschwanstein bauen wollte.
Mit Tell haben die indischen Gäste in Engelberg nichts im Sinn. Sie kommen der Liebe wegen. Auf dem Titlis wollen viele von ihnen einen Original-Schauplatz zahlreicher Bollywood-Lovestorys kennenlernen. Und natürlich wollen sie sich mit den Stars fotografieren lassen. An zentraler Stelle auf der Aussichtsterrasse stehen zwei Schauspieler der Bollywoods-Produktionen, wenn auch leider nur aus Pappe.
Zusätzlich hat Engelberg eine Menge auf dem Gipfel investiert, um auch bei schlechtem Wetter für Unterhaltung zu sorgen. Zum Beispiel in den Rotair, die weltweit erste Luftseilbahn, die sich einmal um die eigene Achse dreht. Oben am Gletscher, der im Sommer teils mit weißen Tüchern abgedeckt ist, spannte man Europas höchstgelegene Hängebrücke und präparierte einen Weg durch die Gletschergrotte.
Am Känzeli, einer Aussichtsterrasse auf der Rigi, mit großartigem Blick auf den Vierwaldstättersee und die Alpenkette, sind im Sommer die ORIGInale anzutreffen. Das sind ehrenamtliche Botschafter der Region, die man einfach ansprechen kann. Sie kennen sich aus mit Flora und Fauna. Und geben auch gerne Auskunft, wo die Jungfrau zu finden ist. Das soll die beliebteste Frage amerikanischer Touristen sein. www.rigi.ch
Info Zentralschweiz
Anreise: Mit dem Auto über Basel und durch den Gotthardtunnel (Vignette 39 €). Die Zentralschweiz ist auch gut per Zug zu erreichen - IC-Verbindungen bis Luzern, von dort Anschluss mit der Zentralbahn.
Online: Weitere Informationen über die Zentralschweiz gibt es bei Luzern Tourismus, www.luzern.com, oder auf der Seite von Schweiz Tourismus www.myswitzerland.com.